About Me

header ads

Mit dem Tod des Mannes aus Mississippi starb auch der Blues

Mit dem Tod des Mannes aus Mississippi starb auch der Blues


B.B. KingB.B. King
Blues-Superstar B. B. King mit seiner Gitarre "Lucille" bei einem Konzert in Bonn 2011
Quelle: pa/dpa/Henning Kaiser
Sein Leben lang hat B. B. King das Bild vom armen, schwarzen Klagesänger unterwandert. 2015 war die Blues-Legende verstorben. Zum 94. Geburtstag von B. B. King ein Rückblick auf den Mann, der Generationen von Musikern beeinflusst hat.
Jedes Konzert von B. B. King, an das wir uns erinnern können, war sein letztes. Jede Reise durch die Mehrzweckhallen und über die Festwiesen war seine Abschiedstour und jedes neue Album sein Vermächtnis. So hatte er uns seine Musik, so lange er noch lebte, immer wieder neu verkauft.
Am heutigen Montag wäre B. B. King 94 Jahre alt geworden. Er starb 2015. Sein Gastspiel drei Jahre vor seinem Tod in der damaligen Düsseldorfer Mitsubishi-Halle war damit das allerletzte, das er auf deutschem Boden gegeben hatte. Es ging damit in die Musikgeschichte ein.
Google hat zum 94. Geburtstag von B. B. King ein brandneues Doodle ins Netz gestellt.
Er spielte, sang und plauderte im Sitzen neben seinem Ständer für die Handtücher, ließ die Gitarre greinen, sang „You Are My Sunshine“ und „The Thrill Is Gone“ und plauderte über das Alter, seinen Blutzucker und seine Schwäche für die Schönheit aller Frauen im Saal.

Wir wollten von Elend und Depression hören

Er rollte mit den Augen wie der Mohr im Kintopp, und die Band begleitete ihren B. B. beschwingt durch seinen Blues-Stadl. Wie immer hatten wir uns mehr von ihm gewünscht, mehr Tragik und mehr Trauer und weniger Swing-Soiree und SPD-Frühschoppen. Aber wenn dafür jemand was konnte, dann nicht er in seinem goldenen Sakko, sondern wir.
Wir weißen und mit allen Abwässern der Popkultur gewaschenen Männer sehnen uns nach einem Blues, der sich so anhört wie die Feldaufnahmen im YouTube-Kanal des Smithsonian-Instituts in Washington. Wir wollen, dass uns schwarze Landarbeiter zu verzogenen Gitarren aus der Zeit der Großen Depression ihr Elend klagen.
Wir wissen selbst nicht warum. Weshalb wir glauben, dass der Blues eines vergessenen Sängers irgendwann und irgendwo im Sumpf des Mississippi wahrer als der Blues von B.B. King auf einer Düsseldorfer Bühne sein sollte.
B. B. King, hier bei einem Konzert 1984, hat Generationen von Musikern beeinflusst
B. B. King, hier bei einem Konzert 1984, hat Generationen von Musikern beeinflusst
Quelle: pa/KEYSTONE/STR


Blues-Musiker zu sein ist so, als wäre man doppelt schwarz“, soll B. B. King einmal gesagt haben, in einem bitteren Moment. Ohne den Rhythm & Blues, ohne den Rock ‘n‘ Roll, ohne das Hipster-Blues-Revival in Amerika, ohne den Euroblues der Briten mit den Rolling Stones, die ihn im Vorprogramm auftreten ließen, hätte B. B. King den Blues nicht retten und lebendig halten können, indem er ihn spielte, wie die weite weiße Welt ihn wollte.
So wie Eric Clapton oder Gary Moore, nur wahrer, weil er schwarz und alt war und aus Itta Bena, Mississippi stammte. Das war dann der Blues, von dem er sagte: „Ist man traurig, macht er einen trauriger, und ist man glücklich, macht er einen glücklicher.“
Schon als er 1968 erstmals ein Konzert in Deutschland gab (es war die Zeit, in der Studenten die „American Folk Blues Festivals“ von Horst Lippmann und Fritz Rau besuchten, um sich mit den armen Sängern zu verbrüdern), fanden ihn die deutschen Puritaner zu zufrieden.

Jeder wusste, was B.B. bedeutet

Er sang weder von den Mississippifluten noch von Sandstürmen, er sang von Frauen, an denen er litt, weil sie so waren wie die ewig unzufriedene Furie im plattdeutschen Märchen vom Fischer und seiner Frau.
Dass die Teufel in der Zeit der Welttourneen und global handelnden Plattenfirmen nicht mehr in Louisiana an der Straßenkreuzung standen, um den Blues-Sängern die Seelen abzuschwatzen, sondern in Bürotürmen herumsaßen, wussten zwar auch die aufgeklärten weißen Blues-Freunde. Aber da waren sie musikmoralisch rigoros in ihren Wohnküchen.
Sein Leben lang hat B. B. King in seiner väterlichen Weisheit das schwarz-weiße Bild vom Klagesänger unterwandert. Zur Belohnung wurde er zum Allgemeingut, und der ganze Blues floss aus den Seitenarmen in den Hauptstrom unserer Musik. Und B. B. King war darüber vom Baumwollknecht zum Blues-König geworden, jeder wusste, was B.B. bedeutet, nämlich Blues Boy, und auch wie seine Gitarre heißt.

Spaß am Absatz seiner scharfen Soßen

Anzeige

„Lucille“, der Name seiner schwarzen Gibson ES-355, gehört zum Quizkanon des Westens. Während weiße junge Wilde wie Jack White zuletzt immer verzweifelter versuchten, in zerrissenen Gehröcken den Blues der schwarzen Vorväter zu restaurieren, reiste B.B. King in seinem eigenen Tourbus durch Amerika, sang überall „When The Saints Go Marching In“ und freute sich, wenn seine Zuhörer sich freuten, seine Restaurants besuchten und daheim mit seinen scharfen Soßen grillten.
Dieser Text ist eine gekürzte Version des Artikels, der zuerst am 15. Mai 2015 auf welt.de erschienen war.

Enregistrer un commentaire

0 Commentaires