Greta Thunberg in der Klima-Falle
An Bord einer Rennyacht macht sich die Klimaaktivistin auf den Weg in die USA. Doch der Medien-Rummel und ein Mitreisender werfen viele Fragen auf. Am Ende steht die Erkenntnis: Ein Flug wäre vielleicht besser fürs Klima gewesen.Anzeige
Klimaaktivistin Greta Thunberg bricht mit dem Segelboot von Englands Südküste Richtung New York auf – und alle Welt sieht zu. Der Start der Reise wird live vom Hafen von Plymouth übertragen. Vor dem Ablegen gibt Thunberg, schon in eigens angepasster schwarzer Profi-Segelkluft, noch schnell eine Pressekonferenz und beantwortet Fragen zu Seekrankheit und ihren Erwartungen, unterwegs Meeressäuger zu sehen.
Am Anleger liegt kameragefällig die „Malizia II“, die Open 60-Rennyacht des Rennsegel-Teams „Team Malizia“ und wird von einer ganzen Schar von Helfern vorbereitet. Eine Traube von Reportern drängt sich um Greta, als sie Richtung Steg geht. Wohl nie zuvor wurde die Anreise einer Aktivistin zu einer internationalen Klimakonferenz derart medial begleitet.
Hätte Thunberg einfach einen Flieger nach New York genommen, sie hätte sich sicherlich des Vorwurfs der Heuchelei ausgesetzt. Doch eine Reise per Frachter oder gewöhnlicher 15-Meter-Segelyacht hätte auch keinerlei praktische Auswirkungen aufs Klima gehabt.
Jetzt, durch den Törn mit der Rennyacht, bekommt die Reise den Charakter eines persönlichen Opferganges für das Klima. Die junge Schwedin ist völlig unerfahren im Hochseesegeln, die meisten Journalisten widmen ihre Fragen den Härten des Törns auf einer Open 60-Rennyacht, ohne Toilette, Herd oder feste Kojen.
Aufwendiger Materialtransport nach Plymouth
Dabei stellen sich auf den zweiten Blick völlig andere Fragen: Gewaltig erscheint der Aufwand für den Trip. „Team Malizia“-Sponsor Musto hat, den zahlreichen Bildern nach, eigens mit Namen bedruckte Synthetik-Segelkluft für Greta, ihren Vater und den mitreisenden Kameramann geliefert.
Der deutsche Skipper Boris Herrmann zeigte in einem kurzen Videotweet aus England einen ganzen Lagerraum voller Ausrüstung für die Transatlantiksegelreise: Schwimmwesten, Segelstiefel, spezielle gefriergetrocknete und vegane Nahrung in Beuteln, dazu Ersatzteile, Segelgarderobe und Elektronik.
Das komplette Material für den Betrieb einer Open-60-Rennyacht wurde nach Plymouth gekarrt, inklusive eines Medienteams, der Support-Crew des „Teams Malizia“ sowie eines ganzen Reigens an Freiwilligen, denen Greta bei der Pressekonferenz extra für ihren Einsatz dankte.
Im Videostream vor dem Start sind Scharen von Helfern auf dem Boot zu sehen. Im engen Yacht-Hafen sind Open-60-Boote so manövrierunfähig wie ein kleiner Frachter, beim Ablegen helfen deswegen RIB-Boote mit Elektroantrieb, eigens gedruckte schwarz-bunte Flaggen mit Klima-Logos flattern in der Luft.
Medienteam schweigt zu Detailfragen
Wie viel CO2-Ausstoß verursacht all das? Hätte man das Geld für diesen Aufwand an anderer Stelle sinnvoller für den Klimaschutz investieren können – etwa in Aufforstungsprojekte in Südamerika der diversen Umweltschutzorganisationen, beim CO2-Ausgleichsprojekt Atmosfair oder ähnlichen Angeboten? Greta Thunberg kann nur hoffen, dass ihre Ankunft in New York weniger Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Denn andernfalls ist zu erwarten, dass, unerwartete Nebenwirkung des Medienrummels, diverse US-Fernsehsender das Einlaufen in New York per Kamera-Helikopter begleiten. Die sogenannten „Camera Chopper“ sind in New York allgegenwärtig. Angesichts deren Spritverbrauchs hätte Greta dann gleich ein paar dutzend Mal fliegen können.
Wie gelangt Greta wieder zurück nach Europa? Das wisse sie noch nicht genau, antwortete sie kurz vor dem Ablegen. Wie reisen ihr Vater, der Kameramann, die Segelprofis zurück? Wenn auch nur zwei von ihnen den Flieger nehmen, hätte Greta auch einfach Lufthansa fliegen können. Als Kleidung hätte eine Jacke aus klimaneutraler Schafswolle gereicht. Wird zurück gesegelt – oder muss die rund fünf Millionen Euro teure Rennyacht, die Anfang 2020 beim Vendee Globe-Rennen antreten soll, geschont und deswegen als Frachter-Deckslast zurück geschickt werden?
Wer übernimmt die Betreuung des komplexen Bootes in New York – der Skipper selbst, oder müssen dafür Profi-Helfer eingeflogen werden? Die WELT hat diese Fragen an Skipper Boris Herrmann sowie Greta Thunbergs Medienteam geschickt und bisher keine Antwort erhalten.
Für das Team Malizia jedenfalls ist die Greta-Reise, so kurz vor dem Vendee-Globe-Start, ein mediales Gottesgeschenk. Das Segelteam erreicht nun Aufmerksamkeit weit über die Segelszene hinaus und kann auf neue Sponsoren hoffen.
Neben Boris Herrmann ist der monegassische Fürsten-Spross, Profisegler und Malizia-Teamgründer Pierre Casiraghi Teil der Crew. Wenn er nicht segelt, widmet er sich seinen anderen Geschäften – unter anderem ist er Mehrheitsaktionär der Fluggesellschaft „Monacair“.
Die bietet den Schönen und Reichen dieser Welt Hubschrauberflüge zu jedem Anlass. Um den Menschenmassen auf dem Weg zum Flughafen von Nizza zu entgehen etwa, oder um schnell und komfortabel ins bevorzugte Skigebiet oder auf die Yacht vor Korsika zu gelangen. 20 Minuten im Helikopter kosten 690 Euro. Und verursachen einen CO2-Ausstoß von rund 200 Kilogramm. Vielleicht will Greta Thunberg die zwei Wochen an Bord nutzen, um ihren Mitsegler zu bekehren.
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